EOT-Beitrag von Marc Noy

Beitrag von Geschäftsführer Marc Noy in der EOT-Statistikbroschüre

Anlässlich der jährlichen Statistikausgabe zur deutschen Mineralölwirtschaft des eot europe oil telegram, hat Marc Noy seine Perspektive auf die Digitalisierung in der Branche zusammengefasst.

BrückePortrait
Die Digitalisierung in der Mineralölbranche hat sich krisenbedingt verlangsamt

Beitrag in der EOT-Statistikbroschüre von 2022 von Marc Noy

Als OnlineFuels 2019 mit der Idee eines digitalen Marktplatzes startete, stießen wir auf großes Interesse. Die Erinnerung an die kritische Versorgungssituation während der niedrigen Flusspegelstände im Jahr zuvor war noch frisch und Digitalisierung war das Stichwort. Die Mineralölbranche schien bereit, sich der Herausforderung zu stellen und in die Digitalisierung zu investieren. Covid-19 hat die Digitalisierung in vielen Bereichen zusätzlich beschleunigt. Nicht zuletzt aufgrund der diversen Lock-Downs gab es zu Online-Bestellungen kaum noch eine Alternative.

Allerdings trifft die Aussage über die Beschleunigung der Digitalisierung in den letzten zwei bis drei Jahren für die Mineralölbranche leider nur bedingt zu. Zwar haben Video-Calls und Home Office in viele Arbeitsbereiche Einzug gehalten, wichtige Digitalisierungsprojekte wurden jedoch aufgrund der zahlreichen Krisen pausiert, hintangestellt oder sogar gänzlich gestrichen. Besonders seit dem Angriff auf die Ukraine befindet sich die Branche wieder im Krisen-Modus, zusätzlich verstärkt durch die Niedrigwassersituation im Sommer dieses Jahres sowie anhaltende Logistikprobleme. Ein schnelles Ende ist nicht abzusehen.

Dass in den letzten drei Jahren, die für alle sehr herausfordernd waren, Digitalisierung nicht immer an erster Stelle stand, ist verständlich. Allerdings ist es wichtig, dass die Digitalisierungsprojekte wieder aufgenommen werden und den notwendigen Fokus erhalten. Denn die Zeiten werden auch in Zukunft turbulent bleiben. Mit einer anhaltenden Inflation und Rezession sowie der Energiewende, die immer mehr an Fahrt aufnimmt, stehen Unternehmen und Entscheider vor weiteren Herausforderungen. Und die Digitalisierung ist vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Wandels der Geschäftsgrundlage eine absolute Voraussetzung, um steigende Kundenerwartungen im Hinblick auf Service zu erfüllen, Kosten zu senken und so langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.

Der Mineralölhandel wird digitaler (ob er will oder nicht)
Dass etwas geschehen muss, lässt sich beispielsweise auch am fehlenden Fachpersonal festmachen. Erzählt man den oft jungen Bewerbern, dass diese Heizöl oder Diesel ein und verkaufen sollen, ist das schon eine Herausforderung an sich; wenn dann der Handel noch ausschließlich über das Telefon erfolgen soll, ist das Interesse meistens erloschen.

Wir haben uns die Stellenanzeigen von zahlreichen Mineralölunternehmen angeschaut. Fast jedes größere Unternehmen scheint auf der Suche nach Ein- und Verkäufer*innen im Innendienst. Wenn es bereits heute problematisch ist junge Talente für die Mineralölbranche zu gewinnen, wird sich dieser Trend, unserer Einschätzung nach, in den nächsten Jahren noch verstärken. Denn junge Talente hinterfragen den Status-Quo zu Recht kritisch. Im Jahr 2022 Produkte online zu handeln ist für viele außerhalb unserer Branche nicht nur eine theoretische Möglichkeit, sondern vielmehr eine Selbstverständlichkeit. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis Unternehmen aufgrund fehlenden Personals digitaler werden müssen, ob sie wollen oder nicht.

4 von 5 Unternehmen überarbeiten ihre ERP-Systeme
Und selbst wenn Unternehmen die Notwendigkeit der Digitalisierung bereits erkannt haben, stellt sich für viele ein weiteres Problem: Digitalisierungsprojekte dauern lange! Zwar überarbeiten vier von fünf Unternehmen, mit denen wir regelmäßig sprechen, ihre ERP-Systeme, doch aufgrund vieler veralteter IT-Landschaften, Fachkräftemangel im Entwicklerbereich und dem fehlenden Fokus dauern diese Projekte bereits jetzt deutlich länger als geplant. Zwei bis drei Jahre sind hier eher die Regel als die Ausnahme. Dabei ist ein passendes ERP-System die Grundvoraussetzung, um sinnvolle Schnittstellen zu schaffen, die Prozesse zu automatisieren und so die Chancen und Effizienzgewinne mit der Digitalisierung zu heben.

Wie es laufen kann, zeigt die Anbindung unseres Marktplatzes an einen der Verkäufer, mit dem wir über sogenannte API-Schnittstellen voll integriert sind. Von der Angebotserstellung bis hin zur Deal-Bestätigung funktioniert alles vollautomatisiert. So lassen sich mehrere tausend Angebote an verschiedenen Tanklägern und mit verschiedenen Abholfenstern gleichzeitig einstellen und handeln. Hat der Kunde das für ihn passende Angebot auf dem Handelsplatz ausgewählt und in den Warenkorb gelegt, wird bei der Ausführung der Bestellung live eine Kreditlimit-Abfrage im Verkäufersystem durchgeführt und die Verfügbarkeit der Ware geprüft – alles in Echtzeit. Die Deal-Bestätigung folgt automatisiert Sekunden später, inklusive Vertrags- und Ladestammnummer. Ist der Kunde auch noch über Schnittstellen angebunden, werden diese Informationen in das ERP-System des Käufers übermittelt. Dies ist nicht nur ein netter Service für den Kunden, sondern hilft auch beiden Parteien, Zeit zu sparen und den Fokus auf dringende und strategische Themen zu richten.

Marktplatz vs. unternehmenseigenes Online-Portal – Das eine schließt das andere nicht aus!
Immer wieder diskutiert wird auch die Frage, ob man das Investment lieber in ein eigenes Online-Portal oder in die Anbindung an einen Marktplatz stecken sollte. Unsere Antwort ist hier immer die gleiche: Der Kundenmehrwert muss langfristig im Vordergrund stehen. Ist der Abnehmer an einen einzelnen Verkäufer gebunden, kann der Kauf der Ware durchaus in einem eigenen Unternehmens-Portal abgewickelt werden. Hat der Abnehmer jedoch die Wahl bei zahlreichen Verkäufern zu bestellen und zwischen Lieferstellen zu wechseln, ist für ihn mit Sicherheit ein Marktplatz von Vorteil. Auch sehen wir keinen Widerspruch, wenn Anbieter eigene Portal-Lösungen betreiben und parallel den Marktplatz nutzen möchten. In diesen Fällen hat der Anbieter bereits die technische Vorarbeit geleistet und die Schaffung von weiteren Schnittstellen an den Marktplatz wird erleichtert. Schlussendlich ist der unabhängige Marktplatz von OnlineFuels ein weiterer Verkaufskanal, den mittlerweile über 500 Unternehmen nutzen. Jedem Unternehmen ist dabei freigestellt, wie es diesen nutzt und mit Kunden interagiert. Wir gehen sogar einen Schritt weiter und stellen Unternehmen, die sich für ein eigenes Portal entscheiden, unsere Technologie als White-Label-Lösung zur Verfügung. So nutzt das Schweizer Unternehmen Oel-Pool AG seit 2021 unsere Plattform-Technologie in eigenem Branding und Design. Ein weiteres Portal befindet sich bereits in der Umsetzung.

Eine THG-Lösung für die Branche
OnlineFuels ist ein junges Team mit einem Durchschnittsalter von 27 Jahren; für viele Mitarbeiter ist die Energiewende auch ein persönliches Anliegen. Bereits heute versuchen wir, den Handel von CO2-armen bzw. CO2-neutralen Produkten zu beschleunigen. So ist der Handel von Bio-Produkten über unseren Marktplatz schon jetzt möglich. Wir ermutigen Anbieter immer wieder, auch GTL, LNG, Wasserstoff oder E-Fuels über den Marktplatz anzubieten. Zwar ist allen bewusst, dass auch hier Geduld gefragt ist, aber aufgrund unserer agilen Unternehmensstruktur können wir kurzfristig auf Herausforderungen reagieren und Chancen im Rahmen der Energiewende nutzen.

So widmen wir uns seit Anfang des Jahres einem Thema, welches viele unserer Partner zunehmend beschäftigt: der Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote). Durch eine gesetzliche Änderung können seit Anfang 2022 die Besitzer eines E-Autos ihre CO2-Vermeidungspotentiale im Rahmen der THG-Quote an quotenverpflichtende Unternehmen abtreten. Dies hat viele branchenfremde Start-ups auf den Plan gerufen, die seit Anfang des Jahres aufgrund der geringen Eintrittsbarrieren auf den Markt drängen. Als OnlineFuels waren wir verwundert, dass nur wenige quotenverpflichtende Unternehmen trotz eines großen Kundennetzwerks eigene Lösungen entwickelt haben. Stattdessen musste der Großteil die THG-Quote teuer von den Start-ups oder über Broker zurückkaufen.

Dort haben wir angesetzt und eine technische Lösung für die Branche bereitgestellt. Wir verstehen uns vor allem als technischer Dienstleister und stellen interessierten Unternehmen kurzfristig eine Lösung zu Verfügung, mit der sie selbst Quote von den eigenen Kunden einsammeln können, inklusive Zertifizierungsprozess und Auszahlung der Prämien. Das Angebot kommt bei unseren Partnern sehr gut an und zeigt, dass wir als OnlineFuels nicht nur als verlässlicher Partner im Großhandel wahrgenommen werden, sondern auch in Bezug auf die Energiewende.
Eines steht für uns fest: die großen Veränderungen in unserer Branche liegen noch vor uns und ein Weiter so ist spätestens seit dem Krieg gegen die Ukraine nicht mehr möglich. Die Digitalisierung ist zwar nicht die einzige Lösung, um den komplexen Herausforderungen zu begegnen, aber ein entscheidender Baustein, um auf die Marktveränderungen schnell und kosteneffizient reagieren zu können und die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern. Hinzu kommt, dass Kunden einen digitalen Kundenservice schlichtweg erwarten werden. Deshalb können wir nur alle Entscheider aus der Branche dazu ermutigen, die Digitalisierung wieder in den Fokus zu rücken, denn IT-Projekte dauern lange – wir sprechen aus Erfahrung!

Kurzportrait des Autors
Marc Noy (37) leitet als Geschäftsführer das OnlineFuels Team seit der Gründung im Jahr 2018. Mit seiner langjährigen Branchenerfahrung und seiner Expertise im Bereich Finanzen, Supply Chain, Business Development und Deal Making bei Shell kennt Marc die Herausforderungen der Branche im Detail. Mit OnlineFuels verfolgt er die Vision den Energiehandel digital zu transformieren.

Kurzportrait OnlineFuels
Das 2018 gegründete Hamburger Unternehmen OnlineFuels bietet digitale Lösungen für den Energiemarkt. Mit dem B2B-Marktplatz für Energieprodukte ermöglicht es seinen Nutzer*innen den zukunftsorientierten, digitalen Handel von Heizund Kraftstoffen sowie erneuerbaren Energieprodukten. Ausgehend von der Digitalisierung des Handelsgeschäfts umfasst das Angebot zudem individualisierte IT-Lösungen, die verschiedene Herausforderungen des digitalen Handels von Energieprodukten adressieren. Hierbei schafft OnlineFuels auch Schnittstellen-Anbindungen, Subportal-Lösungen oder Energiehandelsportale im Kundendesign. Als weiteren Service für den Energiemarkt bietet OnlineFuels seit Anfang 2022 privaten und gewerblichen Haltern von voll batterieelektrischen Fahrzeugen im Rahmen der THG-Quote attraktive Cash-Prämien sowie weitere technische Lösungen in diesem Bereich.